Der Kampf um die Erstwählerstimmen geht in die heiße Phase, in nur 3 Tagen dürfen viele Weibelfeldschüler das erste Mal ihr Kreuz bei einer Wahl machen. Vertreten waren Die Linke (Wolfgang Klein), Bündnis 90 die Grünen (László Boroffka), die SPD (Andrea Gerlach), die CDU (Hartmut Honka), die FDP (Matthias Schmidt), die Freien Wähler (Marco Lang) und die AfD (Karin Stieff-Kuhn). (siehe Foto v.l.n.r.)
Zuvor war eine Demoskopie der Stimmverteilungen in der Weibelfelder Oberstufe durchgeführt worden (Ergebnisse siehe unten) und stichprobenhafte Fragen an das jugendliche Publikum zeigten, dass einige sehr wohl schon wussten, wem sie ihre Stimme geben würden, andere schienen noch unsicher und erhofften sich gerade von dieser Veranstaltung mehr Informationen für eine fundiertere Entscheidung am Sonntag.
Und eine Landtagswahl ist genau die richtige, wenn es um das Thema Bildung geht. Dies stand bei der heutigen Podiumsdiskussion gleich zu Beginn im Fokus der Veranstaltung. Alle Parteien konnten dazu Stellung nehmen, welche konkreten Konzepte sie für Inklusion in Schulen hätten.
Sehr motiviert meldete sich László Boroffka (Bündnis 90 Die Grünen) gleich zu Beginn zu Wort. Seine Partei stehe nicht für „Zwangsinklusion“, möchte aber langfristig Förderschulen stark reduzieren. Um diese SchülerInnen dann in regulären Schulen unterrichten zu können, bedürfe es mehr LehrerInnen und mehr speziell geschulte Fachkräfte. Als Schüler habe er zudem selbst den Begriff „Ganztagsschule“ als Reizwort empfunden. Auf allgemeines Gemurmel im Publikum verweist er die Vorteile der Ganztagsschule: gelernt wird in der Schule statt daheim, individuellere Förderung, Entlastung der Eltern.
Matthias Schmidt (FDP) sprach sich betont für den Erhalt von Förderschulen aus und plädierte dafür, dass die Entscheidung bei Eltern und SchülerInnen liegen müsse. Zudem soll Inklusion mit geschultem Lehrerpersonal und weiteren Stellen ermöglicht werden.
Für diese Wahlfreiheit und zusätzlich geschulte Pädagogen sprach sich auch Andrea Gerlach (SPD) aus, kritisierte aber gleich das dreigliedrige Schulsystem. Ihrer Ansicht nach müsse Schule die Gesellschaft abbilden und Ganztagsschulen führten zu einer geringeren Belastung allgemein, so die Politikerin.
Hartmut Honka (CDU) sieht das Problem nicht in der Entscheidung für oder gegen Ganztagsschulen, sondern setzt sich dafür ein, dass Schulen ihr Konzept je nach den regionalen Gegebenheiten selbst finden sollten. Inklusion erkennt er als ein schwieriges Thema, Förderschulen müssten neben der inklusiven Beschulung an Regulärschulen beibehalten werden. Als Erster in der Runde gab er zu bedenken, dass auch die baulichen Voraussetzungen in den Schulgebäuden nicht immer geeignet sind und da nachgebessert werden muss.
Marco Lang (Freie Wähler) sprach sich ebenfalls für geschulte Lehrkräfte aus, möchte das Konzept der Förderschulen generell aber erhalten und Stück für Stück Inklusion voranbringen.
Allgemein angeschlossen an ihre VorrednerInnen hat sich Karin Stieff-Kuhn (AfD). Sie betonte, dass ihr vor allem eine durchlässige Schule wichtig sei und fordert ebenfalls mehr geschultes Lehrerpersonal. Im späteren Verlauf äußerte sie die Ansicht, dass „ein Esel nicht in einen Rennstall gehöre und sich dort auch nicht wohlfühlen würde“, wobei sie betonte, dass es sich um eine Metapher handelt und SchülerInnen keineswegs Rennpferde seien. Ihre Partei wolle „keine Schwächen stärken, sondern Stärken stärken“. Inklusion führe auch zu Überforderung und könne Schulängste schüren. Unterricht soll wieder „mehr wirklichkeitsbezogen sein und auf Berufe eingehen“, so die Politikerin.
Radikaler forderte es Wolfgang Klein (Die Linke): seine Partei wünsche sich die Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems und eine generell gemeinsame Beschulung in Ganztagsschulen bis Klassenstufe 10. Das nähme den Druck von SchülerInnen. Erst dann könne man über Inklusion reden. Bei anderen Parteien sähe er derzeit keine Angebote oder langfristige Planungen. Der Politiker sprach sehr leidenschaftlich und pointiert. Er erntet nach dieser ersten Runde den lautesten Applaus.
Gerade beim Thema Bildung, einem politischen Zankapfel seit Jahrzehnten, scheint das Interesse im Publikum hoch. Soll Schule Gesellschaftserziehung betreiben (Grüne) oder eher Bildung vermitteln (CDU)? Wirklich konkrete Maßnahmen für praxisnahe und umsetzbare erfolgreiche Inklusion wurden nicht genannt.
Die nun folgende Diskussion zeigte weitere Punkte der jeweiligen Parteiprogramme und machte auch deutlich, dass nicht alle Diskussionsteilnehmer wussten, wie sie mit dem jungen Publikum sprechen sollen. Man strauchelte vom Du zum Sie und wieder zurück (Die Linke), versuchte, sympathisch und trotzdem motiviert rüberzukommen. Klare Standpunkte sollten herausgearbeitet werden. Aber man war sichtlich bemüht, freundlich zu bleiben – auch, wenn einem straffen Zeitplan und großem Eifer der PolitikerInnen geschuldet, Redebeiträge übergangen oder vorzeitig beendet wurden (Karin Stieff-Kuhn, AfD, als sie mehrfach das Wort erheben wollte und plötzlich andere Diskussionsteilnehmer dazwischen sprachen).
Bei SchülerInnen fand die Veranstaltung sehr großen Anklang. Direkt nach dem Event und an den folgenden Tagen war dies bei den meisten Gesprächsthema Nummer Eins. Einige meinten, sie wären in ihrer ersten Meinung bestärkt worden, andere fanden nun auch andere Parteien interessant. Am meisten frustrierte die jugendlichen Zuschauer, dass oftmals die gestellten Fragen (auch aus dem Publikum) ihrer Meinung nach nicht beantwortet worden waren, sondern gerne „drumherum“ geredet worden war.
Die Podiumsdiskussion wurde von Frau Flach und Herrn Lindner organisiert. Sie hatten vor der Veranstaltung dafür gesorgt, dass alle Teilnehmer im Publikum vorbereitet waren und entsprechend mit den Themen grob vertraut waren. Beide moderierten die Podiumsdiskussion und sorgten für den reibungslosen Ablauf. Vielen Dank auch im Namen der Schülerschaft für die Möglichkeit, Politik hautnah erleben zu dürfen und nun mit einer bewussteren Entscheidung zur Wahl gehen zu können.
Linda Hein